Verfolgung in Tunesien

Die überaus verheißungsvolle Revolution 2011, die eine Welle weiterer Revolutionen in anderen Ländern auslöste, hat sich für Liberale und Christen in Tunesien als Enttäuschung erwiesen. Die Situation im Land verschlechtert sich zusehends. Unter dem Regime des früheren Präsidenten Ben Ali war Tunesien ein säkularer Staat, der zurückhaltende Äußerungen der Christen tolerierte. Heute erfahren die Christen Verfolgung von zwei Seiten: von einer gemäßigt islamischen Regierung und einer sehr präsenten und aggressiven Salafistenbewegung, die ungehindert im Land agiert.

Die Hauptantriebskraft der Verfolgung in Tunesien ist der islamische Extremismus. Christen verspüren dabei zunehmenden Druck im privaten und familiären Umfeld, wobei die Situation in der Hauptstadt Tunis vergleichsweise besser ist als auf dem Land. Der Druck für Christen mit muslimischem Hintergrund ist bedeutend höher, als für die wenigen ausländischen Kirchen, welche kaum Probleme haben, im Gegensatz zu fast allen einheimischen Christen.

Druck auf Christen wächst

Positiv ist zu berichten, dass die kleine Gemeinde aus Christen mit muslimischem Hintergrund im Land langsam wächst. Die überaus brutale Ermordung des polnischen Priesters und Salesianer-Missionars, Vater Marek Rybinski, im Februar 2011 hat jedoch den Ton für 2012 vorgegeben. Gemeindeleiter erhalten weiterhin Drohungen. Auch sind Fälle bekannt geworden, in denen Dorfälteste Verfolgung in ländlichen Gebieten auslösten.

Obwohl die Verfassung von Tunesien gegenwärtig Religionsfreiheit respektiert und das Verlassen des Islam nicht unter Strafe stellt, verhalten sich Vertreter von Behörden auf allen Ebenen oft ganz anders. Die Einfuhr christlicher Literatur in arabischer Sprache ist verboten. Einheimische Kirchen können sich nicht registrieren lassen – seit der Unabhängigkeit im Jahr 1956 wurde keiner neuen Gemeinde eine offizielle Registrierung gewährt – und einheimische Christen werden befragt und geschlagen, sobald ihre Bekehrung bekannt wird.

Angst um Zukunft

Berichte aus dem Land zeigen an, dass der Druck auf Christen durch Behörden und Familien von Christen mit muslimischem Hintergrund zugenommen hat. Mit eher düsteren Aussichten hinsichtlich politischer Entwicklung und einer stärker werdenden islamischen Bewegung wird das demokratische Intermezzo wohl bald einer neuen Phase der politischen Geschichte des Landes weichen müssen: einer islamischen Regierung. Die Situation der christlichen Minderheit im Land hat sich verschlechtert, ohne Aussicht  auf Besserung.

Die Situation im Land verschlimmert sich zusehends. Nicht nur die kleine Schar der Christen (meist Christen mit muslimischem Hintergrund) leidet unter dem politischen Wandel, auch der große säkulare und liberale Bevölkerungsanteil steht in Gefahr, Opfer des islamischen Extremismus zu werden. Zusätzlich erlebt auch die kleine jüdische Gemeinde Verfolgung. Rückblickend muss gesagt werden, dass die Revolution der erste Schritt in die Islamisierung des Landes war. Unter Christen und Säkularen geht die Angst um.