Verfolgung in China

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Vier Problemfelder für die Regierung

Trotz des komplizierten Verhältnisses zwischen der Kirche und der Regierung kann die chinesische Kirche leben und gedeihen. Christen sollen nicht länger ausgerottet werden, sie sollen in die Gesellschaft eingegliedert werden. Aber es ist ein zweifelhafter Segen, wenn ein autoritärer Staat wünscht, dass die Kirche seinen Zwecken und Zielen dient, während der Faktor Verfolgung weiter bestehen bleibt. Vier Problemfelder bringen die Kirche in China heute in Schwierigkeiten:

1. Wenn die Gemeinden als zu mächtig wahrgenommen werden

Dann nämlich, wenn große Netzwerke, vor allem auf dem Land, zusammenarbeiten, bekommt die Regierung Angst, da man sich vor der Macht eines Messias ähnlichen Führers fürchtet, der ebenso wie Mao die Massen zu einer Revolution führt. In den letzten Jahren ist es jedoch zu diskreten Gesprächen zwischen der Regierung und den Leitern einiger größeren Netzwerke gekommen und es ist zu hoffen, dass ein legaler Registrierungsprozess für Hausgemeinden daraus folgt.

2. Wenn sie als zu politisch wahrgenommen werden

Gemeinden müssen auf einem Drahtseil balancieren: zugunsten der Besserung der Gesellschaft zu arbeiten, ohne den Anspruch der kommunistischen Partei Chinas auf Führung der Gesellschaft zu bedrohen. Die Kirche lebt immer in der Spannung, nicht zu wissen, wie ihr Engagement in sozialen Belangen aufgenommen wird. Grund dafür ist, dass es keine allgemeingültigen Gesetze in diesem Bereich gibt und dadurch christliches wie auch anderes Engagement großer Willkür ausgesetzt ist. Beispielsweise wurde in einer großen Provinzstadt eine Hauskirche zwangsweise geschlossen, weil sie ein Waisenhaus betrieb und Beamte sagten: "Das ist die Aufgabe des Staates – ihr versucht, uns Konkurrenz zu machen". In einer anderen Stadt tut eine Hauskirche das gleiche, ohne in Schwierigkeiten zu geraten, weil keiner der dortigen Beamten es als subversiv betrachtet.

Auch die Pekinger Shouwang-Kirche illustriert das Problem. Die Kirche beschloss, ihre Räumlichkeiten zu renovieren und sich außerhalb der staatlich sanktionierten Kirche, der patriotischen Drei-Selbst-Bewegung, zu versammeln. Aber an dem Tag der Eröffnung des Gebäudes am 11. April 2011 wurden die Leiter verhaftet. Doch wiederum andere hauskirchliche Netzwerke treffen sich in anderen Stadtteilen Pekings offen in großen Räumlichkeiten, erleben aber die Einschränkungen durch den Staat auf andere Weise. Ein Leiter sagte: "Wir machen unsere Präsenz nicht so aggressiv wie Shouwang bekannt, die darauf aus war, einen Zusammenstoß zu provozieren. Die Shouwang-Kirche wurde als politische Bedrohung wahrgenommen und deshalb verfolgt."

3. Wenn sie als zu ausländisch wahrgenommen werden

Wenn man denkt, dass eine Kirche von außerhalb geleitet wird – mit ausländischer Literatur und einer dominanten Leitung oder Einfluss aus dem Ausland –, dann greift das in etwas tief in der chinesischen Seele Liegendes ein: jede ausländische Vorherrschaft ist aufgrund der chinesischen Geschichte verhasst. Um dem die Spitze zu nehmen, ist es auch hier wichtig, dass das chinesische Christentum chinesischer wird.

4. Wenn sie als Kult wahrgenommen werden

Wenn eine Hausgemeinde unorthodoxe oder sogar extreme Lehren hat, gerät sie ins Visier der Regierung, die sie in dieselbe Schublade wie den Falun-Gong-Kult stecken wird. Das weise und ausgewogene Vorgehen vieler Missionsgesellschaften spiegelt sich in dem Fakt, dass es in den Hausgemeinden nur selten Fälle von Irrlehre gibt. In der vorhersehbaren Zukunft wird die neue chinesische Führung zwar nicht religiös werden, aber sie ist entschlossen, die Religion eher zu benutzen als sie auszurotten. In diesem unvorhersehbaren Raum zwischen Gefahr und Möglichkeit bewegen sich die Hauskirchen sehr vorsichtig.

Dritte Kirche in China

Die Verstädterung Chinas hat neben den staatlichen Kirchen und den Hausgemeinden im Allgemeinen noch einen weiteren Typus von nicht-anerkannten Hausgemeinden hervorgebracht: die sogenannte "Dritte Kirche". Hierbei handelt es sich um meist gut ausgebildete urbane Christen, häufig in gehobenen beruflichen Positionen. Auch diese Gemeinden haben - da offiziell nicht erlaubt - mit behördlicher Willkür zu rechnen. Ein Beispiel ist die Shouwang-Kirche in der Hauptstadt Peking. Zu ihren Mitgliedern gehören u.a. Universitätsprofessoren, Ärzte oder Anwälte. Diese "Dritte Kirche"-Bewegung gehört zu den am schnellsten wachsenden christlichen Gemeinschaften in China. Die ihr angehörenden Kirchen streben in ihrem Gottesdienst und ihrem Verhältnis zum Staat eine größere Offenheit an und verpflichten sich zum Engagement für die Bedürfnisse der Gesellschaft. Um staatliche Einmischung zu vermeiden, begrenzen sie ihre Versammlungsgröße bei Gottesdiensten auf 200 Besucher, obwohl viele von ihnen in Großstädten für sonntägliche Treffen große Räumlichkeiten für viel mehr Besucher anmieten.