Verfolgung auf Sri Lanka

Religiös motivierter Nationalismus

Die Demokratische Sozialistische Republik Sri Lanka ist ein säkularer Staat. Dennoch stellt die Verfassung den Buddhismus an die erste Stelle und sieht ihn offensichtlich als Staatsreligion an. Kapitel 2 der Verfassung verlangt: „Die Republik Sri Lanka soll dem Buddhismus den obersten Platz einräumen und dementsprechend soll es die Pflicht des Staates sein, die Buddha Sasana (buddhistische Lehre) zu schützen und zu fördern, während gleichzeitig sichergestellt wird, dass allen Religionen die Rechte der Artikel 10 und 14(1)(e) zugestanden werden.“ Diese Vorschrift aus Artikel 9 wurde im neuen Verfassungsentwurf unverändert stehen gelassen. Die Rechte in Bezug auf Religions- und Glaubensfreiheit, die in den Artikeln 10 und 14 zugesichert werden, können allerdings eingeschränkt werden, was auch auf subtile Weise geschieht, wie im Abschnitt „Betroffene Lebensbereiche und Auftreten von Gewalt“ aufgezeigt wird.

Die Vorrangstellung des Buddhismus ist immer noch eine weitverbreitete Vorstellung im Land. Jeder Singhalese wird als Buddhist betrachtet und so werden nicht nur tamilische Christen als Bürger zweiter Klasse behandelt, sondern auch singhalesische Christen werden misstrauisch beäugt und vielfach verleumdet und attackiert. Täter sind nicht nur staatliche Behörden, was schon der Name „Ministerium für religiöse Angelegenheiten und buddhistische Sasana“ vermuten lässt, sondern auch buddhistische Mönche und Lokalbehörden. Extremistische buddhistische Gruppen, namentlich die Bodu Bala Sena (BBS, übersetzt „buddhistische Streitkräfte“) und die Sinhala Ravaya (SR), werden durch buddhistische Mönche angeführt und sind bekannt dafür, Mobs zu Angriffen auf die muslimische Minderheit sowie auf Christen aufzustacheln. Obwohl sie nicht mehr so präsent sind, wie sie es vor dem Regierungswechsel im Januar 2015 waren, ist ihr Einfluss immer noch lebendig und die Angriffe auf christliche Gemeinden gehen im selben Maße weiter. Die Vorrangstellung des Buddhismus ist im Alltag religiöser Minderheiten wie der Muslime und Christen weiterhin sehr stark spürbar, aber es sind nicht mehr die BBS oder SR, die dies vorantreiben.

Konfessioneller Protektionismus

Es mag überraschend sein, dass bei Sri Lanka eine neue Triebkraft der Verfolgung in Erscheinung tritt. Im Juni 2017 behauptete der römisch-katholische Erzbischof von Colombo, Kardinal Ranjith, öffentlich, dass es keine Angriffe oder erzwungenen Schließungen von Kirchen im Land gegeben hätte. Es scheint so, als betrachte er nur Katholiken als Christen. Diese Auffassung wurde einige Tage später vom Justizminister des Landes aufgegriffen: Er setzte ebenfalls einfach den christlichen Glauben mit dem Katholizismus gleich, schloss folglich protestantische Denominationen aus und schlussfolgerte dementsprechend, dass es keine Angriffe gegen Christen in Sri Lanka gegeben habe. Dies ist eine völlige Missachtung der gut dokumentierten Einträge in der Datenbank zu gewalttätigen Übergriffen, welche von der Nationalen Christlichen Evangelischen Allianz von Sri Lanka (NCEASL) gepflegt wird. Allein für Januar bis Oktober 2017 wurden 43 Fälle dokumentiert.

Verfolger

Die Hauptverfolger sind extremistische buddhistische Gruppen und Regierungsbeamte, häufig auf der lokalen Ebene. Obwohl die Wahl einer neuen Regierung im Jahr 2015 zu einer Reduzierung der Aktivitäten der BBS geführt hat, haben andere Bewegungen wie SR an Stärke gewonnen. Sie beanspruchen Sri Lanka als buddhistische, singhalesische Nation; diese Ideologie propagierten sie auch mit einer groß angelegten Aufkleber-Kampagne. BBS hat sich in eine politische Partei umgewandelt, die bis jetzt aber auf politischem Gebiet nicht viel Einfluss erlangen konnte. Oftmals beschimpften Familienangehörige sowie Dorfvorsteher in den ländlichen Gegenden christliche Konvertiten und verlangten von ihnen, das Dorf zu verlassen. Politische Parteien neigen dazu, sich Rufen zum Schutz des buddhistischen Erbes des Landes anzuschließen, da dies Stimmen sichert.

Hintergrund

Um den Buddhismus Sri Lankas zu verstehen, ist es hilfreich, das traditionelle Dreieck Sri Lankas zu verstehen: Das singhalesische Leben hat drei Bezugspunkte, nämlich den Tempel, das Dorf und den Teich (als Symbol für Bewässerung und Landwirtschaft). Nichts sollte in dieses Dreieck eindringen; daher wird alles, was von außerhalb kommt, mit Misstrauen betrachtet. Die buddhistischen Gruppen Sri Lankas beschäftigen sich daher weniger mit den philosophischen Themen des Buddhismus, die im Westen so populär sind, sondern eher mit dem Kampf darum, dieses traditionelle Dreieck zu bewahren. Alle Aktivitäten der BBS und SR können vor diesem Hintergrund als Versuche gesehen werden, Angriffe auf diese Sicht der Gesellschaft abzuwehren. Selbst gewalttätige Zusammenstöße und Ausschreitungen gegen die muslimische Minderheit (wie sie sich im Jahr 2014 ereigneten und, in geringerem Maße, im Mai 2017) sowie Angriffe gegen Christen können mit diesem Wunsch nach der Erhaltung des Dreiecks erklärt werden. Muslimische und christliche Minderheiten werden als Bedrohung wahrgenommen. Dies zeigte sich ebenso bei einem anderen Vorfall im Mai 2017: In einer an den Minister für nationales Zusammenleben gerichteten Rede kritisierte der leitende Mönch der BBS, Galagoda Aththe Gnanasera Thero, die Anwesenheit von „christlichen Missionaren“ und erklärte sie gewissermaßen zu legitimen Zielen.

Im Laufe der letzten Jahre war Sri Lanka von zwei Triebkräften der Verfolgung betroffen, zum einen von Religiös motiviertem Nationalismus und zum anderen von Diktatorischer Paranoia. Sri Lankas jüngste Geschichte ist geprägt durch einen 26-jährigen Bürgerkrieg, der erst 2009 blutig beendet wurde. In diesem Bürgerkrieg kämpfte die überwiegend hinduistische Minderheit der Tamilen, größtenteils in den nördlichen und östlichen Provinzen des Landes beheimatet, um Unabhängigkeit. Die „Tamil Tigers“ (oder LTTE) erlangten weltweite Bekanntheit. Sowohl die Truppen der Regierung als auch die LTTE begingen Kriegsverbrechen und eine der größten Herausforderung ist nun, wie mit diesem Erbe umgegangen werden soll. Eine Versöhnung, sei es durch nur innerstaatliche Bemühungen oder mit internationaler Hilfe, ist immer noch in weiter Ferne.

Eine weitere wichtige Frage, die mit diesem Thema verbunden ist, ist die nach der Demilitarisierung des Landes. Durch den langen Bürgerkrieg und die ständig zunehmenden geschäftlichen Aktivitäten der Armee bestehen die Streitkräfte derzeit aus ungefähr 300.000 Soldaten. Es wird schwierig sein, diese Soldaten wieder in das Zivilleben zu integrieren – und es ist sehr wahrscheinlich, dass einige Teile der Armee diese lukrativen Möglichkeiten nicht verlieren möchten, besonders wenn sie mit einer Ermittlung hinsichtlich Kriegsverbrechen konfrontiert werden könnten.

Schließlich bleibt die Frage, wie extremistische buddhistische Gruppen wie die BBS und die SR in der Zukunft handeln werden. Es sah aus, als ob sie aus dem Nichts gekommen wären, und sie wuchsen in kürzester Zeit (die BBS hielt ihre erste nationale Versammlung im Juli 2012 ab). Während die meisten ihrer Führer natürlich bereits bekannt und sogar vorher schon politisch aktiv waren, war der Einfluss der Gruppen und die Radikalität gegenüber religiösen Minderheiten beispiellos. Ihre Aktivitäten blieben unbehindert, sodass der Vorwurf, die vorherige Regierung – besonders der Verteidigungsminister – habe diese Gruppen zumindest stillschweigend unterstützt, an Glaubwürdigkeit gewinnt. Die Tatsache, dass der bereits oben erwähnte leitende Mönch der BBS im Juni 2017 auf Kaution freigelassen wurde (obwohl die Anklagen wegen Aufstachelung zu religiösen Hass und Volksverhetzung gegen die muslimische Minderheit kristallklar waren), ist ein besorgniserregendes Signal für die religiösen Minderheiten Sri Lankas. Das Gerichtsverfahren gegen ihn wurde mehrfach vertagt und macht nur langsame Fortschritte.

Wie bereits erwähnt, richtet sich die Kampagne der buddhistisch-nationalistischen Mönche nicht nur gegen die Christen, sondern auch stark gegen die muslimische Minderheit des Landes. Im November 2017 kam es in der südlichen Provinz Galle zu weiteren gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Buddhisten und Muslimen, was zeigte, dass sich die massive Gewalt von 2014 in den folgenden Monaten wiederholen könnte.