Verfolgung in Nepal

Hintergrund

Der christliche Glaube breitet sich in Nepal seit der Einführung einer säkularen Demokratie im Jahr 2008 immer weiter aus – ein Trend, der Berichten zufolge durch Naturkatastrophen und Veränderungen innerhalb der Gesellschaft in Bewegung gesetzt wurde. Bis zum Ende der absoluten Monarchie im Jahr 2008 war es christlichen Missionaren verboten, ins Land einzureisen. Heute gibt es in Nepal über 8.000 christliche Kirchen und mehr als eine Million gläubige Christen. Minderheitengruppen wie die Dalits und die Kirats sind vom Christentum angezogen worden, seit Nepal 2008 eine säkulare Regierungsform angenommen hat. Laut dem Verband Nationaler Christen in Nepal entstammen 60 Prozent der Christen der Gruppe der Dalits.

Die politische Landkarte Nepals ist für die christliche Minderheit recht hilfreich gewesen. Erste Befürchtungen, die im September 2015 verabschiedete Verfassung würde das Land wieder zu einem offiziellen Hindu-Staat machen, sind nicht eingetreten. Darüber hinaus haben viele politische Parteien das große Potential von Christen (eine schnellwachsende Gemeinschaft in Nepal) für ihre eigenen Positionen erkannt. Im Mai 2017 wurden Christen im ersten Wahlgang zu Repräsentanten einiger lokaler Einheiten bei den ersten in der Geschichte Nepals abgehaltenen Gemeindewahlen gewählt.

Ein Erbe der Tatsache, dass der Hinduismus einst Staatsreligion war, ist das Kastensystem – eine hierarchische Schichtung der Gesellschaft, die jahrhundertealt ist. Jeder Mensch wird in eine Kaste geboren, aus der es kein Entkommen gibt. Nach der „Varna” genannten Tradition gibt es vier Kasten: Brahmanen, Kshatriyas, Vaishyas und Shudras. Zusätzlich gibt es eine Anzahl von Gruppen, die heute als Dalits bekannt sind. Sie wurden schon immer von der „Varna“ ausgeschlossen und die in sie hineingeborenen Menschen werden auch heute noch als die „Unberührbaren“ geächtet. Viele Christen in Nepal kommen aus der Gruppe der Dalits, denn im christlichen Glauben werden sie von den anderen akzeptiert. Die meisten Christen gehören zur sozialen Unterschicht und haben ein geringes Einkommen.

Christen sind nicht die einzigen Gläubigen, die in Nepal verfolgt werden, Muslime werden ebenfalls verfolgt.

Betroffene Kategorien von Christen

Ausländische Christen und Arbeitsmigranten

Hierbei handelt es sich meist um Ausländer, die in Nepal isoliert von anderen Christen ihre eigenen Treffen abhalten. Sie evangelisieren kaum. Diese Kirchengemeinden sind in der Vergangenheit weniger vom Hindu-Nationalismus betroffen gewesen, aber sie werden Einschränkungen erfahren, zum Beispiel in der Öffentlichkeitsarbeit, wenn die neue Verfassung des Landes umgesetzt wird.

Christen aus traditionellen Kirchen

Die mit Abstand größte und wichtigste ist die Römisch-Katholische Kirche sowie einige orthodoxe Gemeinschaften. Sie bleiben eher unter sich und haben keine evangelistischen Veranstaltungen. Daher erleben diese Kirchengemeinden kaum Anfeindungen durch extremistische Hindus.

Christen hinduistischer Herkunft (Konvertiten)

Diese Gruppe ist die größte unter den Christen in Nepal. Die Zahl von Christen hinduistischer Herkunft wächst seit Jahren erstaunlich schnell. Sie sind von allen Christen am stärksten von Verfolgung betroffen. Sie erleben starken Druck von örtlichen Regierungsbeamten, Hindu-Priestern, der Familie und dem sozialen Umfeld.

Christen aus protestantischen Freikirchen

Christen hinduistischer Herkunft gehen in der Regel in die Kirchen, die dieser Kategorie angehören. Da diese Gemeinden am aktivsten evangelisieren, erleben sie ein hohes Maß an Verfolgung.

Privatleben

Christen hinduistischer Herkunft müssen immer besonders aufpassen, in welcher Weise sie ihre Beziehung zu Jesus Christus ausleben, besonders dann, wenn sie die einzigen Christen in der Familie sind. Widerstand von Familie und Gemeinschaft macht es gefährlich, christliche Literatur zu besitzen, besonders in abgelegenen Gebieten. Wenn Christen hinduistischer Herkunft in strenggläubigen Hindu-Familien leben, müssen sie ihre Bibeln und andere christliche Literatur sorgfältig verstecken und können darin nur unter großen Vorsichtsmaßnahmen lesen. Es gibt heftigen Widerstand gegen Christen, die Familie und Freunden von ihrem Glauben erzählen wollen. Der christliche Glaube wird als fremde Religion angesehen, die besonders Menschen aus niedrigen Kasten anzieht.

Familienleben

Es ist viel riskanter geworden, eine Taufe zu organisieren, da Christen, die an ihr teilnehmen, laut neuer Verfassung des Abwerbens zu einer anderen Religion beschuldigt werden. Christliche Hochzeiten laufen Gefahr, abgebrochen zu werden; häufig werden Hochzeiten von Christen hinduistischer Herkunft von ihren Familien abgelehnt, da dies den neuen Glauben der Konvertiten stärken könnte. Christliche Beerdigungen sind unmöglich, da den Kirchen keine Grabstätten zur Verfügung stehen. Darum sind Christen gezwungen, ihre Verstorbenen heimlich zu begraben oder einzuäschern. Christen mit hinduistischem Hintergrund erleben Widerstand, wenn sie versuchen, ihre Kinder im christlichen Glauben zu erziehen. Die Gegenwehr stammt häufig vom eigenen nichtchristlichen Ehepartner und von anderen Familienmitgliedern. Kinder von Christen, nicht nur von Christen hinduistischer Herkunft, sind gezwungen, nichtchristliche Lehren zu studieren, und sie werden von anderen Kindern verspottet. Christen mit hinduistischem Hintergrund können von ihren Familien isoliert werden und Berichte aus dem Westen Nepals zeigen, dass Konvertiten manchmal von ihren Familien vertrieben werden.

Gesellschaftliches Leben

Im Berichtszeitraum des WVI 2018 hat sich die Gesellschaft immer mehr gegen Christen gestellt. Christen werden verabscheut und deshalb bedroht und im Alltag eingeschränkt. Besonders in ländlichen Gegenden werden Christen hinduistischer Herkunft von Familie, Freunden und Nachbarn stark unter Druck gesetzt, ihren christlichen Glauben zu widerrufen. Dies geht häufig mit extremer sozialer Ausgrenzung einher, die sich nicht allein auf das Privat-, sondern auch auf das Geschäftsleben auswirkt. Kinder von Christen mit hinduistischem Hintergrund werden in der Schule häufig von Lehrern und Mitschülern diskriminiert. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sie nicht an der „Pooja“ teilnehmen, eine Huldigung von Göttern und Göttinnen.

Leben im Staat

Folgendes steht in der neuen Verfassung im dritten Teil über Grundrechte im Absatz über Religion: „5. Religion: Jeder Bürger darf unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Traditionen seine Religion praktizieren, wie sie seit dem Altertum überliefert wurde. Vorausgesetzt wird, dass niemand berechtigt ist, seine Religion zu ändern.“ Es gibt weiterhin Pläne, auf dem neuen Personalausweis die Religionszugehörigkeit zu vermerken, doch gibt es zurzeit andere Prioritäten. Die Medien stellen die Existenz und das stete Wachstum der christlichen Religion so dar, als gäbe es sie nur deshalb, weil sich ihre Anhänger von Ausländern bestechen ließen. Wenn jemand den christlichen Glauben annimmt, wird behauptet, die Konvertiten erhielten für diese Entscheidung Prämien. Christen sind regelmäßig Opfer von Hetzkampagnen und extremistische Hindu-Gruppen führen die Gesellschaft mit Falschinformationen in die Irre, was zu Misstrauen führt. Angreifer auf Christen kommen regelmäßig straffrei davon, wohingegen Christen, die falsch beschuldigt wurden, kein gerechtes Gerichtsverfahren erhielten.

Kirchliches Leben

Kirchen werden nicht staatlich anerkannt. Kirchen-Immobilien sind ausschließlich auf Privatpersonen registriert. Es gibt keine Möglichkeit, Kirchen offiziell anzumelden. Laut Berichten von verschiedenen Einheimischen hat die Regierung nach dem Erdbeben 2015 bekanntgegeben, den Wiederaufbau von Tempeln, Moscheen und buddhistischen Heiligtümern zu unterstützen. Kirchen wurden nicht mit einbezogen, was die Vorbehalte gegen den christlichen Glauben verdeutlicht. Kirchliche Versammlungen wurden ebenfalls unterbrochen, zum Beispiel im Bezirk Dhading. Kirchenaktivitäten werden – mit zunehmender Tendenz – überwacht, um zu sehen, ob die Gemeinden Menschen zu ihrem Glauben bekehren und ob die Behörden oder extremistische Gruppen deshalb gegen sie vorgehen können. Der Bericht eines kanadischen Satiremagazins, der Internationale Gideonbund würde nach dem Erdbeben von 2015 statt Nothilfe Bibeln nach Nepal schicken, wurde von extremistischen Hindu-Gruppen sowohl in Nepal als auch Indien wörtlich genommen. Daran wird sichtbar, dass es zunehmend riskant wird, Bibeln und andere christliche Literatur zu verteilen.

Auftreten von Gewalt

Die Verfolgung in Nepal nimmt weiter zu, denn extremistische Hindus üben immer mehr Druck auf andere Religionen aus. Die Gewalt ist nicht so stark ausgeprägt wie in Indien, doch vergleicht man die Lage mit dem Berichtszeitraum des WVI 2017, ist eine Zunahme deutlich erkennbar. Es wurden keine Christen getötet, aber es wurde berichtet, dass 47 Christen schwer geschlagen wurden und das Haus eines Christen bei einem Angriff beschädigt wurde. 14 Christen mussten sich nach Drohungen versteckt halten. Nepalesische Christen berichteten außerdem, dass drei Kirchen bei Angriffen beschädigt wurden. Sieben Christen, die im Juli 2016 verhaftet wurden, waren im Oktober 2017 noch ohne Anklageschrift in Haft. Am 21. Juli 2017 wurden vier Christen zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Während des Berichtszeitraums für den WVI 2018 wurden Christen weder entführt noch vergewaltigt, doch fünf Christinnen wurden zwangsverheiratet.