Betroffene Lebensbereiche

Der Druck auf die Christen in Nordkorea ist in allen Lebensbereichen (Privatleben, Familienleben, gesellschaftliches Leben, kirchliches Leben und Leben im Staat) extrem hoch. Es ist sehr gefährlich eine Bibel zu besitzen, sie zu lesen oder Gott anzubeten. Selbst in der eigenen Familie ist es ein großes Wagnis, seinen Glauben mitzuteilen und wird daher weitgehend vermieden. Christliche Eltern halten ihren Glauben selbst vor den eigenen Kindern geheim. Aufgrund der intensiven sozialen Kontrolle und Indoktrination müssen die Christen andere Möglichkeiten suchen, ihren Glauben auszuüben. Sie gelten nicht nur als Staatsfeinde, sondern als Feinde der gesamten Gesellschaft.

Infolgedessen werden alle Christen in dem "Songbun" genannten System der gesellschaftlichen Schichten als "feindlich" eingestuft und sogar als eigene Unterklasse betrachtet, nämlich Klasse 37 für protestantische und 39 für katholische Christen. Nicht nur die Gläubigen selbst werden im Fall der Entdeckung bestraft, sondern in aller Regel auch ihre Familien. Als mindeste Konsequenz wird ein naher Verwandter im Songbun-System stark herabgestuft. Nicht als Christen überführte direkte Familienangehörige werden in ein Umerziehungslager eingewiesen. Überzeugte Christen werden in politische Arbeitslager geschickt, aus denen keine Haftentlassung möglich ist. Sie müssen bis an ihr Lebensende dort arbeiten.

Unter diesen Umständen ist ein Treffen mit anderen Christen nahezu unmöglich. Jede Beteiligung an heimlichen religiösen Aktivitäten führt für die Betroffenen bei Entdeckung zu Diskriminierung, Verhaftung, willkürlicher Inhaftierung, Folter oder der öffentlichen Hinrichtung. Aus China deportierte Flüchtlinge stehen Berichten zufolge besonders stark in der Gefahr, verhaftet zu werden. Ihnen droht aber lediglich eine leichte Strafe, z. B. einige Monate bis mehrere Jahre in einem Arbeitslager – vorausgesetzt, sie werden keiner christlichen Aktivitäten in Nordkorea überführt.

Nordkoreanische Polizeibeamte machen regelrecht Jagd auf Grenzgänger, die sich während ihres Aufenthalts in China zum Christentum bekehrt haben oder christliche Literatur, vor allem Bibelteile, nach Nordkorea einführen wollen. Jeder ertappte und repatriierte Flüchtling wird ausführlichen Verhören unterzogen. Allen vorliegenden Berichten zufolge gehören dazu auch die Fragen: "Hast du in China irgendwelche Christen getroffen?" und: "Hast du in China eine Kirche besucht?" Der unverändert hohe Druck führt auch dazu, dass die Zahl der Deserteure nach Südkorea gemäß einem Bericht des zuständigen südkoreanischen Ministeriums leicht abgenommen hat. Das Regime soll seine Grenzsicherung verstärkt und dafür auch modernste Technik installiert haben. Das beweist das Bestreben des Regimes, nicht nur die Zahl der Deserteure zu verringern, sondern es versucht auch, jeden Kontakt oder Informationsfluss über die Grenzen hinweg zu unterbinden. Berichten zufolge hat Kim Jong Un über hundert Spione nach China geschickt, um (christliche) Netzwerke zu entlarven, die sich bei der Hilfe für Flüchtlinge engagieren. Da auch China seine Razzien gegen Orte, wo sich die nordkoreanischen Deserteure treffen, verstärkt hat, ist die Lage im Grenzgebiet sehr angespannt. Auch dass die koreanisch-russische Grenze sich zu schließen scheint, beweist die Entschlossenheit des Regimes, verstärkt gegen Deserteure vorzugehen.