Christen muslimischer Herkunft
Nach Schätzungen von Open Doors leben derzeit etwa 2.500 Christen muslimischer Herkunft im Irak. Da die Religionszugehörigkeit in den Ausweispapieren vermerkt ist, gelten Kinder muslimischer Iraker automatisch als Muslime – auch wenn deren Eltern beispielsweise zum christlichen Glauben übergetreten sind. Doch den Religionseintrag von "Muslim" in "Christ" zu ändern, ist für Christen muslimischer Herkunft praktisch nicht möglich. Daher müssen Kinder von Christen muslimischer Herkunft auch weiterhin an öffentlichen Schulen am islamischen Religionsunterricht teilnehmen. Berichten zufolge haben ehemalige Muslime ihren Arbeitsplatz verloren, ihnen wurde der Mietvertrag gekündigt oder sie wurden von ihrer Familie ausgegrenzt, nachdem bekannt geworden war, dass sie sich für den christlichen Glauben entschieden haben.
Leben in Angst
Aus ganzen Stadtteilen in Bagdad oder Mosul wurden und werden Christen systematisch nach Morddrohungen oder Anschlägen vertrieben. Die ohnehin kleine Gemeinde im Irak dünnt weiter aus. Gerade junge und gut ausgebildete Iraker, darunter auch Pastoren und Gemeindeleiter, verlassen das Land oder ziehen in die Kurdengebiete. Ein Mitarbeiter von Open Doors berichtete, die Christen sind entmutigt, haben Angst und vereinsamen. Immer müssen sie auf der Hut sein, überprüfen ihre Autos, bevor sie losfahren, oder benutzen sie gar nicht mehr. Zudem entführen kriminelle Banden vermeintlich wohlhabende Christen oder Kirchenleiter in Erwartung hoher Lösegeldsummen und um die Kirche einzuschüchtern. Da die Regierung nicht willens oder auch nicht in der Lage ist, die Christen wirksam zu schützen, wissen diese nicht, wohin sie sich wenden sollen.
Herausforderungen in der neuen Heimat
Viele der im Land verbliebenen Christen versuchen ins sichere Autonome Gebiet Kurdistan zu kommen und dort eine neue Existenz aufzubauen. Der Rest des Landes ist für die christliche Minderheit unsicher und gefährlich. In den Kurdengebieten müssen sich die Christen neuen Herausforderungen stellen: Nicht nur, dass sie sich eine neue Existenz aufbauen müssen, Traumata verarbeiten müssen und ihre Berufsabschlüsse nicht anerkannt werden; häufig sprechen sie auch nur Arabisch. Daher ist eine Integration in die christliche Kirche der kurdischen Gebiete häufig nicht möglich, denn hier ist Amtssprache Kurdisch.
Eine neue beunruhigende Entwicklung ist die Verschlechterung der Lage in den Autonomen Kurdengebieten. Auch hier ist die Verfolgung mittlerweile auf dem Vormarsch. Die Angriffe von Islamisten Anfang Dezember 2011 auf Geschäfte von Christen und einige vorwiegend christliche Ortschaften im Nordirak zeigen, dass die Zukunft für Christen im gesamten Irak düster ist. Gewalt gehört auch 2011 und 2012 immer noch zum Leben der Christen dazu, obwohl es weniger schwere Übergriffe gab als im Jahr 2010. 2011 wurden Bombenanschläge auf mehrere Kirchen in Mosul, Bagdad und Kirkuk ausgeübt.