Verfolgung in Somalia

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Die Hauptquelle für Verfolgung in Somalia ist islamischer Extremismus. Somalische Christen sind entweder ehemalige Muslime oder gehören zu den (sehr wenigen) ausländischen Entwicklungshelfern. In der jüngeren Geschichte des Landes wurden Christen muslimischer Herkunft bei ihrer Entdeckung oftmals auf der Stelle getötet. Häufig genügte der bloße Verdacht, um die entsprechende Person zu "identifizieren" und zu eliminieren. Entwicklungshelfer bedurften aus Angst vor Entführungen besonderen Schutzes, gleichgültig ob sie Christen waren oder nicht. Terrorgruppen wie die Al Shabaab stellten sowohl für sie als auch für die breite Masse der islamisch geprägten Bevölkerung eine Bedrohung dar.

Islamische Extremisten agieren in einer von alten Stammesrivalitäten geprägten Umgebung: Somalia wurde viele Jahre lang von unterschiedlichen Clans mit ihren eigenen Milizen regiert. Zusammen mit der herrschenden systematischen Korruption erzeugt dies ein allgemeines Klima der Gewalt und Gesetzlosigkeit.


Christen ständig in Gefahr

Über viele Jahre hinweg haben sich die Christen und die Gemeinde Jesu in einer extrem schwierigen Situation befunden. Auch das Jahr 2012 hat hier keine Änderung gebracht. Ein somalischer Christ ist für die meisten Somalier undenkbar. Islamische Führer haben erneut bekräftigt, dass das Land ein streng islamischer Staat bleiben müsse, in dem kein Platz für Christen und christliche Gemeinden sei. Dementsprechend ist es für einen Christen höchst riskant, sich öffentlich zu seinem Glauben zu bekennen, muss er doch im Fall seiner Entdeckung oder eines bloßen Verdachts mit seiner Ermordung rechnen. Christliche Eltern geben ihren Kindern den christlichen Glauben im Verborgenen weiter. Alle somalischen Kinder sind verpflichtet, am Islamunterricht in der Koranschule teilzunehmen. Jeder Verstorbene wird nach islamischem Zeremoniell beerdigt, ungeachtet seiner persönlichen Religion. Die Kirche existiert in Somalia nur im Verborgenen, da öffentliche Treffen von Christen aus Sicherheitsgründen undenkbar sind. Sie organisieren sich in sehr kleinen Gruppen, die im ganzen Land verteilt sind. Gefahr droht ihnen sowohl vonseiten der Regierung und der Gesellschaft, als auch von der eigenen Familie. Denn Abkehr vom Islam gilt nicht nur als Verrat an der religiösen Familientradition, sondern löst bei den Angehörigen auch Befürchtungen aus, als Verdächtige ebenfalls ins Visier religiöser Gruppen und Milizen wie der Al Shabaab zu geraten.

Kampf gegen die Al Shabaab

Die Verfolgung von Christen beschränkte sich nicht nur auf einzelne Landesteile. Man kann Somalia in fünf Regionen einteilen: (1) den zentralen Süden (wo die Al Shabaab herrscht), (2) Somaliland (selbsternannter unabhängiger Staat), (3) die autonome Region Puntland, (4) die autonome Region Galmudug (zwischen Puntland und dem Süden gelegen), und (5) die autonome Region Azania, der südlichste Teil von Somalias Süden.

In jeder dieser Regionen herrscht ein anderer Clan mit seiner eigenen Miliz, die alle dem Christentum feindlich gesonnen sind. In jedem dieser Gebiete bestand für die Christen Lebensgefahr, obgleich der von der Al Shabaab kontrollierte zentrale Süden durch die Berichterstattung der Medien am meisten Aufmerksamkeit erregte.

Die Ursache hierfür ist wohl darin zu sehen, dass die Aktivitäten dieser Gruppierung in besonderem Maß für Unsicherheit, Aufstände und einen Zustand der Unregierbarkeit des Landes sorgten. Hinzu kommt, dass das Gebiet der Hauptstadt Mogadischu am nächsten gelegen ist. Der relative Frieden in den anderen Gebieten ist deshalb beileibe kein Zeichen für Toleranz gegenüber den Christen.


Die Offensive der vereinigten kenianischen Armee zusammen mit der Einsatztruppe der Afrikanischen Union für Somalia (UNISOM) und der somalischen Übergangsregierung hat 2011 zur Vertreibung der Al Shabaab aus Mogadischu und darüber hinaus 2012 aus ihrer Bastion in der Küstenstadt Kismayo geführt. Dadurch wurden der Organisation wichtige Einkommensquellen wie Erpressung und Piraterie genommen. Dessen ungeachtet stellt Al Shabaab weiterhin eine akute Bedrohung dar, da die Organisation nicht vollständig vernichtet wurde. Sie hat sich mittlerweile in den südlichen Landesteilen oder Nachbarländern niedergelassen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie aus dieser Krise gestärkt hervorgeht, da sie Unterstützung von gut gerüsteten Terrororganisationen wie Al Kaida erhält. Grund zu dieser Befürchtung liefert unter anderem die Beobachtung, dass sich die Gruppe auch im benachbarten nordöstlichen Kenia zu etablieren begonnen hat. Dabei ist es auf kenianischem Boden bereits zu Angriffen auf Somalier sowie Terroranschläge gegen Nicht-Somalier gekommen.

Keine Religionsfreiheit

Am 21. August hat die Übergangsregierung einer neuen Zentralregierung Platz gemacht. Das Parlament hat im September Hassan Sheikh Mohamud zu seinem Präsidenten gewählt. Die Annahme einer vorläufigen Verfassung und Parlaments- und Präsidentschaftswahlen haben trotz der herrschenden Unsicherheit die Rahmenbedingungen für eine legitime, transparente und verantwortungsvolle Regierung geschaffen. Ihr traut man zu, Frieden und Demokratie in dem vom Krieg zerrissenen Land herzustellen. Aufgrund dieser politischen und international mitgetragenen Anstrengungen blickt man in Somalia wieder hoffnungsvoll in die Zukunft. Das ist unter anderem an der Zahl der Rückkehrer abzulesen, die nach Somalia strömen, um das Land wieder aufzubauen.

Für Christen und die Gemeinde sind die Zukunftsaussichten hingegen spürbar weniger positiv, sieht die vorläufige Verfassung doch keine Religionsfreiheit vor. Einerseits erklärt ein Gesetzesentwurf die Gleichheit aller Menschen "ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einem Clan oder einer Religion" (Artikel 17: Abschnitte 1 und 2), andererseits besagt die Verfassung: "Der Islam ist die einzige Religion des Staates, keine andere Religion darf im Land propagiert werden." (Artikel 2, Abschnitte 1,2 und 3 sowie Artikel 3, Abschnitt 1 der Verfassung von Somalia). Aus unserer Sicht besteht der bereits vor dem 21. August existierende Widerspruch damit weiterhin fort.

Zukunft unsicher

Obwohl die Situation 2012 für die Christen sehr hart war, besteht für die Zukunft Hoffnung auf Verbesserung. Die Al Shabaab hat die Kontrolle über den zentralen Süden verloren, was sowohl für Christen als auch für Nichtchristen eine große Erleichterung bedeutet. Die aus Ländern wie Kanada, Europa und den USA zurückkehrenden Flüchtlinge bringen neue Ideen und Erfahrungen zum Thema verantwortungsvolle Staatsführung mit, die sie auf der ganzen Welt gesammelt haben. Sie sind auch mit Christen in Berührung gekommen und bringen diesen gegenüber mehr Toleranz mit. Die neue Zentralregierung übernimmt zunehmend die Kontrolle und es wird erwartet, dass auch die Einhaltung des Gesetzes mehr und mehr überwacht wird. Die ebenfalls erhoffte wachsende Verfügbarkeit von Radios, Fernsehen, Mobiltelefonen und dem Internet wird auch neue Möglichkeiten für die Ausbreitung des Evangeliums und dem Dienst an Christen eröffnen. Die Zahl der Hausgemeinden wächst beständig. Es bleibt abzuwarten, welchen Einfluss eine besser organisierte Zentralregierung auf das Land haben wird: Eine Verfestigung der Verfolgung religiöser Minderheiten oder die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Religionsfreiheit.