Verfolgung in Nigeria

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Die Hauptquelle der Verfolgung von Christen im Norden Nigerias ist der islamische Extremismus. Vor allem die islamistische Gruppe "Boko Haram" (zu Deutsch: moderne Erziehung ist Sünde) verübt brutale Gewalttaten gegen Christen. Diese selbst ernannten "Taliban Nigerias" terrorisieren nicht nur Christen. Im ganzen Land wollen sie eine strikte Anwendung der islamischen "Scharia"-Gesetze erreichen.

Kein anderer Name steht so für Verfolgung wie "Boko Haram". Die Gruppe wurde 2001 gegründet; im Jahr 2009 wurde sie verboten. Nach Rückschlägen durch den Einsatz der Sicherheitskräfte ist es der Gruppe jedoch gelungen, sich neu zu organisieren. Inzwischen hat sie sich zu einer ernstzunehmenden Bedrohung nicht nur für Christen entwickelt. Neben Kirchen, Häusern und Geschäften von Christen griffen Mitglieder der Gruppierung auch staatliche Gebäude, Polizeistationen und selbst Moscheen an, die in ihren Augen zu moderat in ihren Predigten waren.

Einführung der Scharia

Doch das Auftreten von Verfolgung in Nigeria gestaltet sich sehr viel komplexer als die reine Ermordung von oder tätliche Angriffe gegen Christen – oder auch Muslime – durch eine islamische Terrorgruppe. In besonderem Maße traf dies auf die zwölf nördlichen Bundesstaaten zu, wo lokale Regierungen und gesellschaftliche Gruppierungen den dort ansässigen Christen kaum genug Raum lassen, ein eigenständiges Leben zu führen. Muslime stellen in diesem Landesteil etwa zwei Drittel der Bevölkerung. Die zwölf hier angesiedelten Bundesstaaten (Bauchi, Borno, Gombe, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kebbi, Niger, Sokoto, Yobe und Zamfara) haben vor einigen Jahren das islamische Recht (Scharia) eingeführt. Wer vom Islam zum christlichen Glauben konvertiert, setzt sich großen Gefahren aus. Verfolgung beschränkt sich jedoch nicht allein auf Christen islamischer Herkunft, sondern ist eine Bedrohung für alle Christen in vielen der nördlichen Bundesstaaten. Einiges weist darauf hin, dass in bestimmten Landesteilen traditionelle Feindseligkeit gegenüber Christen zu Problemen für die Kirche führt. Aus den östlichen Bundesstaaten gibt es Berichte über Verfolgung durch Anhänger animistischer Religionen. Eine offene Frage bleibt der Einfluss der systemimmanenten Korruption, die unter anderem von den überall präsenten kriminellen Netzwerken gefördert wird.


Gewalt gegen Christen in Nordnigeria

Verfolgung tritt vorrangig in den Scharia-Staaten auf, greift jedoch auch immer wieder auf die angrenzenden Gebiete über. Sie fordert von den Betroffenen hohen Tribut im familiären Bereich und im Blick auf ihr unmittelbares Lebensumfeld. So dürfen Christen ihre Toten nicht auf öffentlichen Friedhöfen begraben. In den öffentlichen Schulen werden christliche Schüler besonders in den unteren Klassen gezwungen, am Islamunterricht teilzunehmen. Weiterführende Schulen oder höhere Bildungswege bleiben Christen verschlossen, besonders wenn es sich um gut ausgestattete Einrichtungen mit einem hohen akademischen Niveau handelt. Christen werden in schulischen Institutionen oftmals als Bürger zweiter Klasse behandelt. Christliche Mädchen leben in ständiger Gefahr, entführt und zwangsverheiratet zu werden.

So gab es beispielsweise in der Stadt Kano ein Haus, in dem 40 entführte Mädchen gefangen gehalten, islamisiert und dann mit einem Moslem verheiratet wurden. Ortsansässige Experten von Open Doors berichten, dass es in einigen der Scharia-Staaten sogar organisierte Dienste gibt, die sich auf die Entführung und Bekehrung christlicher Mädchen zum Islam spezialisiert haben.

Schikane und Überfälle

Auf dem Arbeitsmarkt wurden Christen trotz nachgewiesener Qualifikationen die Einstellung verweigert, anderen wurde die Abkehr von ihrem christlichen Glauben zur Bedingung gemacht, um eine Stelle sofort antreten zu dürfen. Christliche Wohngegenden wurden von der örtlichen Regierung völlig vernachlässigt. Die Bereitstellung von sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und Straßen wurde ihnen verweigert. Entlegene christliche Dörfer wurden bei Entwicklungsprojekten übergangen. Kirchengemeinden stießen auf große Schwierigkeiten bei dem Versuch, ehemalige Muslime zu integrieren. Derartige Aktivitäten erregen die Aufmerksamkeit der Umma (muslimischen Gemeinschaft) und können zu Gewaltausbrüchen gegen alle Kirchen im näheren Umkreis führen. Berichten einheimischer Mitarbeiter zufolge ist es vermehrt zu Übergriffen islamischer Extremisten gegen Pastoren gekommen, um das Wachstum der Kirchen zu stoppen.


Teilung des Landes

Die Verfolgung von Christen durch islamische Extremisten hat nicht alle Bereiche Nigerias erfasst. Betrachtet man das Land unter diesem Gesichtspunkt, so kann man Nigeria in verschiedene Regionen aufteilen. Der Norden (19 Bundesstaaten und das Gebiet der Hauptstadt Abuja) ist hauptsächlich islamisch, der Süden (17 Bundesstaaten) ist hauptsächlich christlich geprägt; der Südwesten (Yoruba) jedoch ist zu 50% muslimisch. Die Mitte des Landes ist vorrangig christlich, wobei hier auch große Gruppen von Muslimen leben. Bei der Verwaltungsorganisation der Staaten haben Muslime jedoch dafür gesorgt, dass weite Teile der Landesmitte den zwölf sogenannten Scharia-Staaten hinzugerechnet wurden. Ein Beispiel hierfür ist Kaduna, dessen Norden hauptsächlich von Muslimen bewohnt wird, während im südlichen Teil die Christen in der Überzahl sind. Die Regierung des Bundesstaates wird jedoch von Muslimen gestellt, so dass die Scharia herrscht.

Am härtesten werden Christen in den zwölf Scharia-Staaten verfolgt. Abgesehen von dem Leid durch Terrorakte leben Christen in beständiger Angst vor den Unwägbarkeiten ihres unmittelbaren Lebensumfeldes. Dazu gehören lokale Regierungen und verschiedene gesellschaftliche Gruppen, die sie in verschiedenen Bereichen massiv unter Druck setzen, teilweise unterstützt von der Scharia-Polizei ("Hisba") und Da’awa Komitees. In den sieben anderen nördlichen Staaten ist dieser Druck weniger stark, dafür gibt es mehr terroristische Aktivität. Aus diesem Gebiet erreichen uns auch regelmäßig Berichte von Vergeltungsschlägen christlicher Jugendlicher für Terrorangriffe. Keine Berichte über christenfeindliches Verhalten gelangten aus dem Süden zu uns. Racheakte durch christliche Jugendliche für muslimische Angriffe im Norden gegen Angehörige anderer Stämme bilden eine große Ausnahme. Unterdessen verfolgen Islamisten die von einigen ihrer Führer postulierte Agenda, der zufolge das ganze Land dem „Haus des Islam“ einverleibt werden soll.


Regierung im Kampf gegen den Terror

Die Regierung des derzeitigen Präsidenten Goodluck Jonathan von der Demokratischen Volkspartei hält das Land in eisernem Griff. Nach seinem Wahlsieg im April 2011 entspann sich eine große Debatte, da Jonathan ein Christ aus dem Süden ist. Aufgrund einer bestehenden politischen Übereinkunft zwischen Christen und Muslimen waren die Muslime der Ansicht, alle Kandidaten hätten bei dieser Wahl aus ihren Reihen stammen müssen. Jonathans Wahlsieg führte zu schweren Unruhen. Islamische Führer und Rebellen schworen, ihm das Regieren unmöglich zu machen, wobei Boko Haram Anhänger sich als entschiedenste Gegner herauskristallisierten. Im April 2012 versprach Jonathan, binnen sechs Monaten mit der Boko Haram "fertig zu sein". Zur Antwort erhielt er, man werde ihn innerhalb von drei Monaten "erledigt" haben und die Regierung übernehmen. Viele Christen befürchten einen "Kampf der Titanen" für das Wahljahr 2015. Unterdessen erweist sich die gegenwärtige Amtszeit (2011-2015) zusehends als eine Ära willkürlichen Terrors gegen Christen und christliche Gemeinschaften, die in dem Ruf stehen, Jonathan zu unterstützen und für ihn zu beten.

Angst um Zukunft

Die gegenwärtige Situation Nigerias wirft dunkle Schatten voraus, allen guten Neuigkeiten über eine geistliche Neubelebung der Kirche unter dem Druck der Verfolgung zum Trotz. Die Hinweise auf eine Verbindung zwischen Al Kaida im Maghreb, der Boko Haram und anderen islamischen Terrorgruppen der Region verdichten sich und lassen befürchten, dass der Gemeinde noch weitere brutale Verfolgung bevorsteht. Örtliche Open Doors–Fachleute betrachten auch ein Übergreifen der antichristlichen Gewalt auf die Kirche im Süden des Landes als eine realistische Möglichkeit. Christliche Jugendliche, die Zukunft der Gemeinde, stehen beständig in der Versuchung, gewaltsam Rache an Muslimen zu üben. Damit nimmt die Gefahr eines Teufelskreises wachsender Gewalt in Teilen Nigerias zu. Die beständige Bedrohung für die Christen in den Scharia-Staaten und in etwas kleinerem Maß in den mittleren Staaten wird sich in absehbarer Zeit kaum verringern.

Auch die Armut vieler im Norden ansässiger Christen ist besorgniserregend. Islamisten könnten die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um Christen finanziell zu erpressen. Bereits jetzt wird vielen Christen der Zugang zu Bereichen der öffentlichen Grundversorgung verwehrt. Die Zentralregierung scheint indes nicht fähig, ihre christlichen Bürger zu schützen.